Die Falschheit des staatlichen Asylsystems in Enna
Während der seit März 2015 durchgeführten Besuche der außerordentlichen Aufnahmezentren in der Provinz Enna hatten wir immer Schwierigkeiten, zu verstehen, inwieweit im Aufnahmesystem für Asylsuchende in der Provinz die Aufträge an Einrichtungen durch eine öffentliche Ausschreibung vergeben wurden.
Tatsächlich haben uns alle Betreiber*innen, die wir während den Besuchen in den außerordentlichen Aufnahmezentren getroffen haben, berichtet, dass sie auf Basis einer direkt mit der Präfektur ausgehandelten Auftragsvergabe arbeiten, während noch auf die offiziell ausgeschrieben Vergabe gewartet wird.
Die betreffende offizielle Ausschreibung wurde im Dezember 2014 veröffentlicht und bezieht sich auf den Zeitraum vom 1.Juli bis 31. Dezember 2015. Sie ist vor gut zwei Monaten ausgelaufen, ohne je Anwendung gefunden zu haben. Der Grund für diese Verzögerung in der Bearbeitungszeit sei wohl, soweit es uns von den Betreiber*innen berichtet wurde, darauf zurückzuführen, dass zunächst die Angemessenheit der Aufnahmestrukturen überprüft werden müssen die bereits in die Shortlist der Kandidaten für die Ausschreibung aufgenommen wurden. . Nach 14 Monaten könnte man jedoch sagen, dass die bewundernswerte Umsicht des staatlichen Regionalbüros der Regierung in Enna wohlmöglich in übertriebenem Eifer gemündet ist, da es sich ja lediglich um 11 Zentren handelt.
Es ist bis heute also so, dass sich das Aufnahmesystem dieser Provinz auf eine Verlängerung einer alten Konvention von 2014 stützt. Inzwischen lässt sich in allen Strukturen, die wir besuchen konnten, eine Zahl an Bewohner*innen registrieren, die unter dem eigentlichen Fassungsvermögen der Strukturen liegt.
Unterdessen werden einige Kommunen in der Provinz von Besorgnis erregenden Mobilisierungen von Bürgervereinigungen betroffen, die sich gegen den Aufenthalt von Migrant*innen in den Städten richten, auf.
Vor allem auf der Piazza Armerina sind seit einiger Zeit Proteste von Bürger*innen im Gange, die gegen die Aufnahme von Migrant*innen in einem Gebäude in einem Wohngebiet sind, in welchem der Einzug von 80 Migrant*innen von der Ausschreibung geplant wäre. Der jüngste Protest kam im Januar auf.
Wie bereits bekannt ist, erschwert die gemeinsame Unterbringung von vielen Menschen in einem einzelnen Gebäude, vor allem in kleineren Stadtgebieten, die Integration und die soziale Einbeziehung von Migrant*innen. Im Gegenteil, wenn solch eine Art von Einzug nicht von Informationsaktivitäten, Einbeziehung und Sensibilisierung der Bürger*innen begleitet wird, dann kann dies anstelledessen mit großer Wahrscheinlichkeit die Unruhen und Ressentiments der Bürger*innen schüren. Wenn also der Widerstand der Bürger*innen auf der Piazza Armerina einerseits verständlich sein kann, so erscheint er andererseits sehr Besorgnis erregend, und zwar aufgrund der xenophoben Töne, die immer häufiger die Proteste und Einstellungen einiger zeichnen.
In Bezug auf die Situation der Aufnahme in der Provinz von Enna ist es wichtig, die schwerwiegenden Unannehmlichkeiten aufgrund der langen Wartezeiten für die Anhörung vor der regionalen Kommission in Erinnerung zu behalten, welche für viele Asylsuchende in dieser Provinz sich auf bis zu 18 Monate hinausgezogen hat. Der Großteil von ihnen wurde hierher verlegt, nachdem sie einige Monate in anderen Aufnahmezentren in sizilianischen Provinzen verbringen mussten. Das hat dazu geführt, dass sich die Wartezeiten noch mehr verlängerten, weil sich die Zuständigkeiten der Regionalkommission veränderten, und auch, weil die Kommission von Enna – Sektion Catania – erst mit operativ wurde (sie wurde im März 2015 in Kraft getreten und fing aber erst im Mai an, zu operieren).
Diese Benachteiligung ist kürzlich auch noch verschlimmert worden, denn auch die Arbeit eben dieser Kommission scheint von einer sehr hohen Zahl an Ablehnungen der Anträge auf Schutz gezeichnet zu sein. Dies geschieht nicht auf der Basis der individuellen Lebensgeschichten, sondern wegen allgemeiner Begründungen und Vorurteilen gegen die Herkunftsländer der Antragsteller*innen. Diese Arbeitsweise ähnelt dem vieler anderer Regionalkommissionen. Deren Ablehungsverfügungen der internationalen Schutzantröge werden in sehr vielen Fällen von den Distriktgerichten gekippt.
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus
aus dem Italienischen von Sophia Bäurle