Außerordentliche Aufnahmezentren, der Fall Palermo. Borderline: „Einige schlagen Profit aus der Unsichtbarkeit der Migrant*innen.“

Quelle: MeridioNews

Alberto Biondo hat für den Verein Borderline außerordentliche Aufnahmezentren in der Regionshauptstadt und der Provinz kontrolliert: „Die Asylsuchenden sind frustriert von der Bürokratie. Das System der Aufnahme hat keinen Anfang und kein Ende und ist absichtlich so aufgebaut, um Menschen in einem Schwebezustand zu lassen.“


Foto: Alberto Biondo

In Palermo und Provinz gibt es etwas mehr als zehn außerordentliche Aufnahmezentren. Gegründet in Zeiten der Not, um das Fehlen von Plätzen in den regulären Strukturen und den von den Kommunen vorgesehenen Unterkünften zu kompensieren, sind sie heute, anders als ihr Name vermuten lässt, in das reguläre Aufnahmesystem von Asylsuchenden integriert. Laut Informationen, die dem Verein Borderline vorliegen, halten sich in der sizilianischen Regionshauptstadt zwischen 450 und 500 Migrant*innen in diesen Einrichtungen auf. In den außerordentlichen Aufnahmezentren befinden sich überwiegend jene, die Einspruch gegen die Ablehnung ihres Asylantrags erhoben haben. „Es handelt sich vorwiegend um Personen aus Nigeria, Gambia und dem Senegal, aber auch verschiedene Personen aus Bangladesch. Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, bevor das System der Hotspots in Kraft getreten ist, deren Anträge abgelehnt wurden und die nun in einer ewigen Warteschleife stecken“, erzählt er Meridionews. Alberto Biondo hat im Rahmen der Monitoringtätigkeit seines Vereins Zentren besucht, von denen sich viele in den Kommunen der Provinz befinden: Geraci Siculo, San Giuseppe Jato, Isnello und Piana degli Albanesi, um nur einige zu nennen.

Die Arbeit von Borderline hat dazu gedient, das Aufnahmesystem zu untersuchen, „das weder Anfang noch Ende hat“, sagt Biondo, „geschaffen mit der Intention diese Menschen in der Schwebe zu lassen und sie unsichtbar zu machen. Genau diese Unsichtbarkeit führt dazu, dass bestimmte Personen auf wenig erbauliche Weise aus der Anwesenehti von Migrant*innen Profit schlagen: Jene, die sie schwarz auf den Feldern arbeiten lassen, die Mafia, die sie für Handlangerdienste missbraucht und wiederum andere, die sie für weibliche und männliche Prostitution ausbeuten. Das Hauptproblem? „Die Frustration dieser jungen Menschen im Bezug auf die langen bürokratischen Wartezeiten in Schach zu halten. Es kann nicht sein, dass ein Dokument, das man nach zwei Monaten erhalten soll, zwei bis drei Jahre Bearbeitungszeit beansprucht. Die meisten Menschen in den außerordentlichen Aufnahmezentren von Palermo bleiben für sehr lange Zeit dort. Manche sind bereits 2013 oder 2014 angekommen und heute immer noch dort. Eine Person, die arbeiten muss, um Geld nach Hause in das Herkunftsland zu schicken, kann nicht für Monate und Jahre zurückgehalten werden.“

Die außerordentlichen Aufnahmezentren sind von guter Struktur, aber oftmals weit von bewohnten Ortschaften entfernt, ein Zustand der zu nicht wenigen Problemen führt: „Es ist nicht möglich, dass es Zentren in Bergregionen gibt, sie sind schlecht vernetzt und schwer zu erreichen“, erklärt Biondo. Die Präfektur begründet diese Entscheidung mit dem verringerten Risiko für Migrant*innen in Kontakt mit kriminellen Zusammenhängen zu kommen. Auf der anderen Seite ist es in isolierten Orten schwieriger sich zu sozialisieren, ganz zu Schweigen von den logistischen Problemen in Bezug auf die Erreichbarkeit von Ämtern und Dienstleistungsanbietern. Aber das der geografischen Position ist nicht das einzige Problem, das sich von der Gestaltung der Ausschreibungen für die Leitung von Aufnahmezentren ableitet, die laut Biondo überarbeitet werden müsse: „Gewisse Berufsbilder sollten stets in außerordentlichen Aufnahmezentren zugegen sein, was aber von den Vorschriften der Präfektur nicht vorgesehen ist. Wir stellen fest, dass die Beschäftigten teilweise nur wenige Stunden in der Woche vor Ort sind.“

Aber was tun? Biondo hat klare Vorstellungen: „Die Ausschreibungen müssen auf die realen Bedürfnisse der Menschen angepasst werden. Es müssen klare und feststehende Zuständigkeiten definiert werden: Psycholog*innen, Rechtsberater*innen, Mediator*innen für Sprache und Kultur, die konstant anwesend sein müssen. Die Beschäftigten können nicht einzig dafür eingesetzt werden, für Ruhe in einem Zentrum zu sorgen. Es fehlen oftmals Mediator*innen für Sprache und Kultur, die konstant und nicht nur auf Anfrage, mit allen Personen jeder Herkunft innerhalb des Zentrums sprechen können. Die größten Probleme in den außerordentlichen Aufnahmezentren“, erklärt Biondo, „sind sowohl die kulturelle als auch sprachliche Kommunikation. Zuletzt müsse man auch geringere Bewohnerzahlen für die außerordentlichen Aufnahmezentren festlegen. Zwanzig Personen sind schon viele, obwohl man bereits Erfahrungen mit Zentren mit 80 Einwohnern gemacht habe.“

Manlio Melluso

Aus dem Italienischen von Giulia Coda