Die Unterschiede, die uns vereinen. Die Hochzeit von Chiara und Stefano
Chiara und Stefano kommen aus zwei unterschiedlichen Welten. Er war bei den Pfadfindern und verbrachte seine Zeit im Zeltlager, mit der Gitarre unter dem Arm. Sie ist Aktivistin und ruft bei jeder Demonstration Slogans und Sprechchöre. Doch dieser Unterschied entfernt die beiden nicht voneinander, ganz im Gegenteil. Beide sind getrieben vom Gefühl der Solidarität gegenüber anderen. Diese Solidarität charakterisiert ihre beiden Welten und ihretwegen haben sie sich kennengelernt und verliebt.
Sie erzählen uns ihre Geschichte an einem schwül heißen Sommertag in Palermo. Trotz der prekären Situation, die die jungen Menschen ihrer Generation verfolgt, hätten sie entschieden den großen Schritt zu wagen und zu heiraten, berichten Chiara und Stefano. Ihre Hochzeitsfeier sollte dabei keine private Veranstaltung sein. Sie wollen nicht nur Verwandte und Freunde an ihrem Glück teilhaben lassen sondern sie möchten der gemeinsamen Feier noch einen größeren Sinn geben und jemandem damit helfen. Aus diesem Grund entscheiden Chiara und Stefano einen Teil ihrer Geschenke an eine Vereinigung zu spenden, die sich um die schwächsten unserer Gesellschaft kümmert, um die Unsichtbaren, um jene die häufig abgehängt werden. Auf diese Weise hören sie von Borderline Sicilia. Sie lesen unseren Blog und erfahren so von den Ergebnisse unserer Arbeit. Weil Borderline Sicilia seit Jahren für die Einhaltung der Rechte und eine würdevolle Aufnahme kämpft, entscheiden sie auf unsere Organisation zu setzen. Wir sind ergriffen von ihrer Idee und von ihrem großen Herz. Und es schmeichelt uns, dass das junge Paar aus der Emilia Romagna (Region in Mittelitalien) nach Sizilien reist, um uns kennen zu lernen, um uns zu danken und um uns dieses Geschenk zu überreichen. Wir entscheiden nach Carpi in der Emilia Romagna zu fahren. In der Pfarrei, in der die beiden in Kürze zu Mann und Frau erklärt werden, möchten wir den Menschen von den Geschehnissen auf Sizilien und von unseren schwierigen Kämpfen erzählen. Aber wie so oft, werden die Initiative und der Grundgedanke von Chiara und Stefano leider von der Presse instrumentalisiert. Die Medien versuchen mit den üblichen populistischen Argumenten die Verkaufszahlen zu steigern. In einem speziellen Bericht der Tageszeitung Gazzetta di Modena wird mittels abwegiger Informationen behauptet, dass ein junges Paar das Hochzeitsgeld den Migrant*innen spenden möchte. So toben gleich darauf in den sozialen Medien die Hetzer mit ordinärsten Beleidigungen, die typisch für das rassistische Klima sind, das mittlerweile Italien regiert. Aber die Solidarität gibt sich nicht geschlagen. Die Facebook-Gruppe #iosonoqui (Ich bin da) schreitet ein und stürmt den Post mit positiven Nachrichten und Solidaritätsbekundungen. Die Hass-Kommentare verschwinden zwischen den tausenden Nachrichten. In der Zwischenzeit nähert sich der große Tag. Wir brechen zu unserer Reise Richtung Emilia auf, wo uns eine Kirche voll mit Leuten erwartet. Sie sind gekommen um uns anzuhören und um abseits der Slogans und der Propaganda zu verstehen, was auf Sizilien vor sich geht. Wir zeigen ihnen das Bild dieses Italiens, das Widerstand leistet und sich nicht den Kopf durch Unwahrheiten und Lügen vernebeln lässt. Die Unterschiede die uns vereinen, auch die Hochzeitsfeier präsentiert sich nach diesem Grundsatz. Afrikanische Farben vermischen sich mit denen der klassisch katholischen Tradition. Bei dieser gemischten Zeremonie gibt es traditionell italienische sowie Musik ferneren Ursprungs zu hören. Wir staunen über die Originalität der Texte und Gesten, die gleichzeitig in ihrem Wesen dem Evangelium auf sehr treue Art folgen. Wir müssen uns bei Stefano und Chiara bedanken. Nicht nur für ihre Spende, die uns bei unseren täglichen Mühen sicher helfen wird. Wir müssen uns auch für die Art und Weise bedanken, mit der sie uns aufgenommen haben und dafür, dass sie uns gezeigt haben, dass auch im Unterschied Gemeinschaft liegen kann. Unser Dank gilt auch dem kleinen Blue. Er hat sich entschieden seinen Geburtstag damit zu feiern, jenes Geld an unseren Verein zu spenden, das für den Kauf seiner Geburtstagsgeschenke gedacht war. Auf diese Weise bezieht er seinen kleinen Freunden und deren Familien mit in diese Geste der Solidarität ein. Giuseppe Platania Borderline Sicilia Onlus Aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner