Der Fall Diciotti: Schande für den Staat.
Die Diciotti liegt am Osthafen von Catania mit 177 Personen an Bord vor Anker. Sie ist dem Kräftemessen zwischen Innenminister Salvini, der einer Landung nur unter der Bedingung zustimmt, dass die an Land gehenden Personen in der EU verteilt werden, und dem Minister für Infrastruktur Toninelli ausgeliefert. Dieser hatte nach vier Tagen in der Pattsituation das Schiff von der Küstenwache anlegen lassen, ohne jedoch eine Landung zusichern zu können.
Das Schiff hatte in der Nacht vom 15. auf den 16. August 190 Menschen in der Nähe von Lampedusa gerettet. 13 von ihnen wurden wegen schwerwiegender gesundheitlicher Probleme direkt auf die Insel überführt. Die 177 Verbleibenden sind noch immer im Hafen von Catania eingesperrt, nach nunmehr einer Woche an Bord der Diciotti.
Die harte Linie der Abschottung des Innenministeriums geht weiter. Sie gilt nicht mehr nur für die Schiffe der NGOs sondern erstreckt sich nun auch auf die Küstenwache, welche dies mit nicht wenig Unzufriedenheit zur Kenntnis nahm. Der Delegierte der Küstenwache Ciavarelli verurteilte diese Pattsituation vor dem Erlass der Anlegegenehmigung durch Minister Toninelli als unverständlich und peinlich.
Währenddessen geht das Kräftemessen auch mit Brüssel weiter, wo auf eine Zustimmung zur Verteilung der Personen in andere Mitgliedsstaaten der EU gewartet wird. Diese Menschen werden mittlerweile ausgenutzt, um Forderungen zu stellen und Europa zu erpressen. Diese neue Linie des Innenministeriums fügt den Menschen, die schon während der langen Reise gelitten und traumatische Erfahrungen durch Gewalt und Folter gemacht haben, zusätzliches Leiden zu.
Ein offensichtliches Beispiel dafür ist die Landung am 16 Juli in Pozzallo: Die 167 an Land gegangenen Personen sind noch immer im Hotspot, unter ihnen 10 Minderjährige mit und zwei ohne Begleitung. Bis jetzt sind lediglich die Delegationen aus Frankreich und aus Deutschland in den Hotspot von Pozzallo gekommen, um Interviews zur Bestimmung des Asylstatus durchzuführen und eine erste Gruppe von 47 Personen ist in den Tagen danach nach Frankreich aufgebrochen. Die Antworten Maltas, Spaniens und Portugals auf den Aufruf stehen noch aus. Die Kriterien für die Interviews sind noch nicht sehr klar und die Fragen, die sich scheinbar auf die Gründe beziehen, die sie zu dieser Reise trieb, empören die Migrant*innen, die alle aus Somalia und Eritrea stammen.
Diese neu adaptierte Praxis zeigt die ganze Unzulänglichkeit der (Nicht-) Organisation der Landungen und bezeugt ein weiteres Mal die politische Instrumentalisierung von Migration, in einem Italien, das von populistischer und fremdenfeindlicher Propaganda bombardiert wird und deren Opfer immer die Schwächsten sind.
Aber die Proteststimmen von lokalen und nationalen Organisationen fehlen nicht. Dank der Koordination des Forums von Lampedusas, wurde am Hafen der Insel ein Transparent gehisst, auf dem steht „Lampedusa offener Hafen“, und durch eine Unterschriftenaktion wurden über 3000 Unterzeichner*innen erreicht.
In Catania wurde am Vormittag des 21. Augusts eine Demonstration organisiert, an der verschiedene Organisationen und einzelne Bürger*innen teilnahmen. Sie protestierten gegen die politische Instrumentalisierung von hunderten Menschenleben, die diese zu Nummern reduziert, um sie entweder weiter zu verteilen oder nach Libyen abzuschieben. Die Demo forderte mit lauter Stimme, dass der Hafen von Catania offen bleibe und dass die Personen an Bord der Diciotti an Land gelassen werden, denn niemand ist illegal, weder Frauen noch Männer.
Am Nachmittag des 21. Augusts wurde ein großes Transparent am Kai gegenüber der Diciotti gehisst, es trägt als Aufschrift „Stop the attack on refugees“.
Beatrice Mariottini
Borderline Sicilia
Übersetzung: Helena Hattmannsdorfer