Der Fall „Salamis“ – erneuter Versuch, Flüchtlinge nach Libyen zurückzudrängen
In der Nacht vom 4. auf den 5. August hat der unter liberianischer
Flagge fahrende Tanker “M/T Salamis“ 102 Migranten 46 Seemeilen vor der
libyschen Küste aus einem sinkenden Schlauchboot gerettet. Die
Flüchtlinge waren in Richtung Europa, die „Salamis“ Richtung Malta
unterwegs. Der griechische Kapitän hatte die Order zu Rettung von der
römischen Seenotrettungszentrale erhalten und ist seiner Aufgabe
unweigerlich nachgekommen, so wie es die internationalen Konventionen
vorsehen.
Die SAR-Konvention (Search and Rescue) bestimmt, dass
Flüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen sind. Hierbei wird nicht
definiert, dass das der geografisch nächste Hafen sein muss, sondern ein
SICHERER Hafen. Der Kapitän der „Salamis“ hat entschieden, dass
Tripolis kein sicherer Hafen für Flüchtlinge ist. Doch Malta lässt ihn
nicht in den Hafen Einlaufen.
Die EU-Kommissarin für innere Angelegenheiten Cecilia Malström
äußerte heute, dass ein Zurücksenden der 102 Flüchtlinge nach Libyen
internationales Recht verletzen würde und drängte Malta dazu, die
Flüchtlinge aufzunehmen.
Italien hingegen ist schon im Februar 2012 für seine push backs nach
Libyen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden
(Fall Hirsi, 24 Flüchtlinge werden 2009 nach Tripolis zurückgebracht
und enden in Haftanstalten unter Folter und massiven weiteren
Menschenrechtsverletzungen).[1]
Der Fall „Salamis“ folgt denen der „Cap Anamur“ im Jahre 2004 und der „PINAR E“ im Jahre 2009.
Die Externalisierung der Flüchtlingspolitik vor die Tore Europas kostet Menschenleben!
Im
Falle der Cap Anamur wurden die Flüchtlinge aus Italien zurückgeschoben
und starben z.T. bei weiteren Fluchtversuchen aus Elend und Krieg.
Der
türkische Kapitän der PINAR E verbrachte Tage mit den Flüchtlingen auf
See, ohne sie versorgen und ohne die Leiche einer jungen Frau, die ihr
Leben auf dieser Flucht hat lassen müssen, an Land bringen zu können.
Erst vor wenigen Wochen besuchte –erstmals- ein Papst die Insel
Lampedusa und forderte, dass die weltweite Gleichgültigkeit gegenüber
den Flüchtlingen auf See endlich aufhören müsse. Gleichzeitig jedoch
diskutiert die maltesische Regierung seit Wochen, wie sie Flüchtlinge
aufhalten und nach Libyen zurückschieben kann, die italienischen
Behörden diskutieren nicht einmal, sie ordern die Zurückschiebung in das
Land, aus dem die Flüchtlinge gerade erst geflohen sind, einfach an.
Es müssen endlich legale Einreisewege für Flüchtlinge geschaffen
werden! Schutz ist ein Menschrecht! Malta als kleines EU-Land muss mit
der Aufnahme von Flüchtlingen entlastet werden. Es kann nicht sein, dass
die europäische Migrationspolitik dazu führt, dass Mitgliedstaaten die
Aufnahme verweigern und damit Folter und Menschenrechtsverletzungen in
einem Land wie Libyen in Kauf nehmen.
Das Sterben auf See muss beendet werden! Die Logik der europäischen
Regierungen und der Grenzschutzagentur Frontex, man könne das Sterben
beenden, indem man die Flüchtlinge an der Abfahrt hindert, ist nicht zu
verstehen, denn Flucht und Migration sind eine globale Bewegung, die
nicht einfach mit Militär und Marine aufgehalten werden können.
Schluss mit der Kriminalisierung von Rettern!
Wir unterstützen das Handeln des Kapitäns der „Salamis“, der die von
ihm geretteten Flüchtlinge in einen wirklich sicheren Hafen bringen
will.
Wir unterstützen die maltesischen NGOs, die die eigene Regierung für ihr Handeln kritisieren.
Wir fordern die sofortige Aufnahme der Flüchtlinge in einem sicheren Staat der EU!
Judith Gleitze
borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V., Palermo
Kontakt: jg@borderline-europe.de, mail@borderline-europe.de
Hintergrundinformationen
Das gemeinsame Statement von Aditus foundation, JRS Malta, Migrants’
Network for Equality, SOS Malta, Malta Emigrants’ Commission, KOPIN,
Integra Foundation, Foundation for Shelter and Support to Migrants,
Organisation for Friendship in Diversity – different social NGOs from
Malta: http://tvm.com.mt/news/2013/08/preservation-of-life-should-be-the-topmost-priority-ngos/
Artikel zum Thema:
http://www.timesofmalta.com/articles/view/20130805/local/tanker-carrying-migrants.480832
Zur Situation in Libyen
http://www.hrw.org/news/2013/07/29/dispatches-migrant-deaths-sea-should-stir-europe-s-conscience
http://www.hrw.org/middle-eastn-africa/libya
http://www.amnesty.org/en/region/libya/report-2013#section-85-6
http://www.egyptindependent.com/news/libya-s-sub-saharan-refugees-face-post-conflict-uncertainty
http://hrc-eritrea.org/eritrean-refugees-in-libya/
[1] http://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/italien/dok/2012/egmr-urteil-bootsfluechtlinge