Lampedusa: Das verzweifelte Warten der Überlebenden
l’Unita/Flore Murard-Yovanovitch – Heute ist
ein Monat seit dem tragischen Schiffbruch von Lampedusa am
vergangenen 3.Oktober, wenige Meter vor der Küste der
Mittelmeerinsel, vergangen. Die Gemeinde will in Zusammenarbeit mit
Legambiente und unter Einbeziehung aller am Rettungsnetz Beteiligten
der Opfer mit einer laizistischen und bürgerlichen Feier gedenken.
Das Lager von Imbriacola: Sehen Sie das Video.
Innerhalb des Naturreservates Insel
Lampedusa werden 366 kleine Pflanzen gesetzt und ebenso viele Lichter
angezündet werden, begleitet von den Schlägen der Schiffsglocke,
während das Kollektiv Askavusa einen umgestürzten Baum arrangieren
wird, mit der Krone nach unten und den Wurzeln in der Luft. Es werden
auch einige der 108 überlebenden Eritreer (nach einer Verlegung von
ungefähr vierzig Minderjährigen in sizilianische Lager) anwesend
sein, noch immer eingesperrt in das Lager zur ersten Aufnahme von
Contrada Imbriacola.
Die
hinterbliebenen Flüchtlinge sind, nach verschiedenen Anträgen zur
Verlegung auf das Festland, die sie an die Immigrationsbehörde und
die Ordnungskräfte gestellt haben und die unerhört blieben, noch
immer in Erwartung. Zurückbehaltene. Noch schlimmer: Ihnen wurde
nicht erlaubt an den Begräbnisfeierlichkeiten für ihre Lieben am
21. Oktober in Agrigent teilzunehmen. Seit einem Monat streifen sie
tagsüber durch die Straßen des Ortes und ihre Nächte sind
durchwacht und alptraumhaft. Eine Trauer, die endlos scheint, nahe
den Wellen, die das Trauma in Erinnerung rufen. Einstweilen haben die
Flüchtlinge noch gar keine offiziellen Informationen vonseiten der
italienischen Behörden bezüglich ihrer Zukunft bekommen, wann und
in welche Zentren Italiens sie verlegt werden und vor allem: Ihnen
wurden digitale Fingerabdrücke abgenommen. Ein Geschehen, das ihnen
verwehrt, mit ihren Verwandten in Nordeuropa zusammenzukommen und das
sie de facto auf das Land begrenzt, indem sich das Massensterben
ereignet hat.
DAS LAGER VON IMBRIACOLA
Es ist unglaublich, das wirklich
schreiben zu müssen, aber es ist die Realität: Jene
Hinterbliebenen, die ganz Italien erschüttert haben, werden trotz
der Versprechen von Letta, Barroso und Maelstrom und noch gestern vom
Präsidenten der Region, Crocetta, noch heute in dem elenden und
menschenunwürdigen Lager Imbriacola festgehalten.
Es sind die 108 überlebenden Eritreer,
die, genauso wie die mit den letzten Anlandungen neu angekommenen
Migranten, seit einem Monat auf schmutzigen Matratzen oder in aus
Gummi und Plastik selbstgebauten Hütten schlafen, unter
unbeschreiblichen hygienisch-sanitären Bedingungen und unter jedem
Standard, unwürdig eines Landes der G8: Ohne Aufnahme.
Vor kurzem gab es einen Wolkenbruch und
der Hof verwandelte sich in einen Sumpf, während auf der Umzäunung
die Kleidungsstücke trockneten, Trainingsanzüge, alle gleich.
Darüber hinaus sieht man die halb abgebrannten und nach dem Brand
vom September 2011 nie wieder renovierten Gebäude. Ein
Gefangenenlager, nicht geeignet, auch nur den geringsten Respekt vor
der menschlichen Würde zu gewährleisten.
Die Bilder des Videos, gedreht von den
Hügeln aus, die das Lager nur für Ausländer umgeben, als wolle man
sie tief im Tal verbergen, sprechen von Sonne. Es würde reichen,
wenn die italienischen Führer einen Kilometer auf der Schotterstraße
fahren würden, die zum Gefängnislager führt, um zwischen Gittern
und Stacheldraht Menschen zu erblicken, die auf Nicht-Personen
reduziert wurden.
Das alles kann nicht Aufnahme genannt
werden. Eine unmenschliche Gefangenschaft, schon seit Jahren von
Organisationen angeprangert, mit Artikeln, Fotos, Videos; aber dieses
Mal, einen Monat nach dem 3. Oktober, liegt der Beweis vor, dass
niemand wirklich sehen noch verändern will.
Der italienische Artikel:
Lampedusa, la disperata attesa dei sopravvissuti
(Aus dem Italienischen von Rainer
Grüber)