Die Notaufnahmeeinrichtungen

Zu den verschiedenen Einrichtungen, die
die Präfektur Caltanissetta im vergangenen November für die
Aufnahme von über hundert Asylbewerbern, die außerhalb des Lagers
von Pian del Lago campieren, bestimmt hat,
gehört auch der Sitz des Zivilschutzes in Gela (PROCIVIS), den wir
letzten Monat besichtigen konnten.

Mit uns zusammen war an jenem Tag auch
ein Mitglied von Ärzte ohne Grenzen dort; die Organisation hatte im
vergangenen November im Lager von Pian del Lago
Gesundheitsuntersuchungen durchgeführt, bei denen sich 6 Personen
als besonders vulnerabel herausgestellt hatten und dank der
Zusammenarbeit mit der Präfektur umgehend in der Struktur in Gela
untergebracht wurden
(http://siciliamigranti.blogspot.it/2013/11/caltanissetta-medici-senza-frontiere.html).

Als wir am späten Vormittag bei
PROCIVIS ankamen, war nur ein freiwilliger Helfer dort und die
Bewohner schliefen noch, doch nach und nach bemerkten sie unsere
Anwesenheit und kamen zu uns. Insgesamt sind 16 Personen in der
Einrichtung untergebracht, weitere 4 Personen sollten an dem Tag noch
ankommen.

Im Gespräch mit den Migranten, die wir
aus Pian del Lago kannten, haben wir erfahren, dass sich nur einer
der 6 wegen eines schweren Problems am Auge von einem Facharzt hatte
untersuchen lassen, während die anderen 5 vulnerablen Personen nicht
den von Ärzten ohne Grenzen empfohlenen fachärztlichen
Untersuchungen oder Tests unterzogen worden waren. Anscheinend wurde
keine der in der Einrichtung untergebrachten Personen bei ihrem
Einzug einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. So wusste keiner
der Betreuer, dass einer von ihnen an einem Leistenbruch litt, was
wir den Betreuern im Zentrum gemeldet hatten, und nur, weil der Mann
den Arzt, der bei uns war, gebeten hatte, ihn zu untersuchen! Der
Leistenbruch war so groß, dass er sogar unter der Kleidung sichtbar
war.

Wir konnten die einzelnen Zimmer der
Bewohner besichtigen. Der größere Raum, in dem zehn Bewohner
untergebracht waren, wies bereits schwere Mängel auf (beispielsweise
ein kleiner Elektroradiator mit offenliegender Steckdose), doch in
den anderen beiden, kleineren Räumen, in denen die weiteren sechs
Migranten untergebracht sind, haben wir eine noch schlechtere
Situation vorgefunden; in einem der Räume war das fehlende Fenster
durch eine Matratze ersetzt worden. Am Tag zuvor hatte es geregnet
und man konnte noch erkennen, wo das Wasser eingedrungen war; man
kann sich vorstellen, wie kalt es in der Nacht gewesen sein muss.
Auch hier bestand die Heizung aus einem kleinen Radiator, der
ebenfalls an eine offenliegende Steckdose angeschlossen war, was
wegen des durch das Matratzen-Fenster dringenden Wassers noch
gefährlicher war.

Wir haben die Bewohner gefragt, ob
ihnen Kleidung zur Verfügung gestellt worden war, da wir bemerkt
hatten, dass diejenigen, die vorher in Pian del Lago kampiert hatten,
noch die verschlissene Kleidung trugen, mit der sie ins Lager
gekommen waren. Die Migranten erzählten uns, nie Kleidung oder
Schuhe, nicht einmal ausreichend warme Decken bekommen zu haben. Die
„Bettausstattung“ bestand in der Tat nur aus einem Bezug und
einer sehr dünnen Decke. Außerdem haben sie uns gesagt, nie
Taschengeld oder eine Telefonkarte bekommen zu haben. Daher leben
gerade diejenigen von ihnen, die noch nicht hinausgehen dürfen, weil
sie keine Papiere haben, vollkommen isoliert – zudem es in der
Einrichtung nicht einmal eine Internetverbindung gibt.

Hinsichtlich der Verpflegung wurde uns
gesagt, dass morgens kein Frühstück ausgegeben würde, sondern
lediglich Gebäckteilchen, die sie kaum noch essen können. Sie
hätten wiederholt darum gebeten, heißen Tee, Milch oder Obst zu
bekommen, doch diese Bitte wurde nie erhört. Auch die Mahlzeiten
seien dürftig – sowohl qualitativ als auch quantitativ – und
bestünden aus einem Teller Nudeln (obwohl sie mehrfach um Reis
gebeten hätten), einer Portion minderwertigem Gemüse, einer kleinen
Portion Hühnchen (selten Fisch oder Eier), einem Stück Obst und
Brot. Dann berichteten sie uns auch von ihren Schwierigkeiten, wenn
sie auf ihren Rechten bestehen: ihnen würde gesagt, dass ihr
Asylantrag vernichtet würde, wenn sie sich schlecht benähmen; und
es ist nicht das erste Mal, das wir von derartigen Erpressungen
hören.

Am Nachmittag sind wir noch einmal
hingegangen, um mit den Leiter des Zentrums zu sprechen; dieser hat
uns mit Bezug auf die sechs Migranten, bei denen Ärzte ohne Grenzen
auf Krankheiten und vorzunehmende Untersuchungen hingewiesen hatten,
Unterlagen von der Notaufnahme gezeigt, doch darin waren keine
Befunde von fachärztlichen Untersuchung zu sehen.

Hinsichtlich der personenbezogenen
Leistungen hat uns der Leiter gesagt, dass das Catering von einer
privaten Firma mit HACCP-Zertifizierung durchgeführt würde. Er hat
uns versichert, dass die Qualität der Mahlzeiten gut sei und es sich
nur um ein Problem der Bewohner handele, die nie zufrieden seien,
denn auch den Couscous mit Gemüse (anstelle von Reis, um den sie
immer wieder bitten), den er ihnen einmal vorgesetzt habe, hätten
sie nicht gemocht! Was das Frühstück betrifft, verzichte er darauf,
es auszugeben, da die Bewohner lange schliefen, doch er hat
(zumindest anscheinend) unseren Vorschlag angenommen, ein
vollständiges Frühstück auszugeben und dafür feste Uhrzeiten
festzulegen, so dass die Bewohner selbst entscheiden können, ob sie
aufstehen und es in Anspruch nehmen möchten.

Hinsichtlich der Kleidung hat er uns
gesagt, dass es für die Versorgung mit gebrauchter Kleidung eine
Vereinbarung mit einem Caritas-Lager gäbe; um bestmöglich zu
arbeiten, berät er sich normalerweise mit einer Mitarbeiterin der
Kooperative Auxilium (Betreiber des Lagers Pian del Lago in
Caltanissetta), die ihm zu diesem Vorgehen geraten habe. Auf unseren
Hinweis, dass einige der Bewohner kaputte Schuhe hätten oder Socken
und Schlappen trügen, hat er uns zugesagt, eine Bestellung bei einem
lokalen Zulieferer zu machen.

Dann haben wir ihn nach dem Personal
und Sprach- und Kulturmittlerdiensten gefragt und erfahren, dass
neben dem Leiter sehr qualifizierte ehrenamtliche Mitarbeiter dort
tätig seien und für die Bewohner (alle pakistanischer und
afghanischer Herkunft) ein nigerianischer Ehrenamtlicher als
Sprachmittler zur Verfügung stünde.

Zu der nicht erfolgten Ausgabe des
Taschengeldes hat er uns gesagt, dass dies aus Gründen der
Gleichbehandlung so entschieden wurde, da er mit der Auszahlung
beginnen wolle, wenn alle für die kommenden Monate vorgesehenen
Bewohner eingetroffen seien. Daher müssen auch diejenigen, die
bereits seit fast zwei Monaten in der Einrichtung sind, noch warten.
Die internationalen Telefonkarten hingegen seien nie ausgegeben
worden; diesbezüglich hätte es Probleme gegeben, weil die Bewohner
eine andere Karte als die von ihm vorgeschlagene vorgezogen hätten.

Zu den festgestellten schweren
räumlichen Mängeln sagt er, dass er bereits dafür sorgt, alles zu
reparieren, und er hat uns einen Kostenvoranschlag für den Transport
zweier Container aus der Gemeinde San Fratello (die bekanntermaßen
lawinengefährdet ist) gezeigt, in denen die weiteren Personen
untergebracht werden können, deren Aufnahme in der Einrichtung
vorgesehen ist. Es handelt sich um weitere 50 Personen.

PROCIVIS ist also eine der
Einrichtungen, neben dem Zentrum in Pian del Lago
(http://siciliamigranti.blogspot.it/p/caltanissetta.html) und dem
Hotel Alessi di Mazzarino
(http://siciliamigranti.blogspot.it/2013/12/caltanissetta-100-migranti-di-pian-del.html),
in der die Asylbewerber untergebracht worden sind, die monatelang im
provisorischen Lager „Pian del Lago 2“ waren. Das Zentrum in Gela
ist außerdem eine der Aufnahmestrukturen, die im Rahmen von
Nothilfemaßnahmen ohne ein zentralisiertes und konstantes
Kontrollsystem sowie gesetzliche Standards eingerichtet wurden.

Da die im November von der Präfektur
Caltanissetta mit diesen Einrichtungen unterzeichneten Vereinbarungen
am vergangenen 31. Dezember 2013 ausgelaufen sind, fragen wir uns, ob
diese verlängert werden und wenn ja, zu welchen Bedingungen.

Giovanna Vaccaro

Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Renate
Albrecht